DER EZB-RAT BEREITET SICH AUF DIE ERWEITERUNG VOR
Auf seiner Sitzung am 19. Dezember 2002 entschied der EZB-Rat einstimmig über den Inhalt seines Vorschlags über die künftige Anpassung seiner Abstimmungsmodalitäten. Eine solche Anpassung wird im Zuge einer weiteren Ausdehnung des Euro-Währungsgebiets in einer erweiterten Europäischen Union (EU) notwendig. Der Vorschlag des EZB-Rats erfolgt in Übereinstimmung mit der im Vertrag von Nizza enthaltenen ,,Ermächtigungsklausel" für die EZB.
Gemäß dem derzeitigen institutionellen Rahmen besteht der EZB-Rat aus sechs Direktoriumsmitgliedern und bis zu 15 Präsidenten der nationalen Zentralbanken (NZBen). Um sicherzustellen, dass der EZB-Rat auch bei einem beträchtlichen Anstieg der Zahl seiner Mitglieder weiterhin in der Lage ist, effizient und rechtzeitig Entscheidungen zu treffen, kam der EZB-Rat überein, dass die Anzahl der Zentralbankpräsidenten, die ihr Stimmrecht ausüben, 15 nicht übersteigen sollte.
Wenn die Anzahl der Zentralbankpräsidenten 15 übersteigt, üben sie ihr Stimmrecht auf der Grundlage eines Rotationssystems aus. Jedes Mitglied des Direktoriums behält ein dauerhaftes Stimmrecht. Das Rotationssystem soll sicherstellen, dass die Zentralbankpräsidenten, die jeweils das Stimmrecht ausüben, aus Mitgliedstaaten stammen, die in ihrer Gesamtheit repräsentativ für die Volkswirtschaft des Euro- Währungsgebiets sind. Daher üben die Zentralbankpräsidenten ihr Stimmrecht mit unterschiedlicher Häufigkeit aus, nach Maßgabe eines Indikators der relativen Größe der Volkswirtschaften ihrer Mitgliedstaaten innerhalb des Euro-Währungsgebiets. Auf der Grundlage dieses Indikators werden die Zentralbankpräsidenten verschiedenen Gruppen zugewiesen. Diese Einteilung bestimmt, wie häufig das Stimmrecht ausgeübt werden kann. Zunächst gibt es zwei Gruppen; ab 22 Mitgliedstaaten im Euro- Währungsgebiet wird es drei Gruppen geben.
Alle Zentralbankpräsidenten werden weiterhin an den Beratungen und den Sitzungen des EZB-Rats ad personam und in voller Unabhängigkeit teilnehmen. Alle Mitglieder des EZB-Rats üben ihr Stimmrecht gemäß dem Grundsatz aus, dass jedes Mitglied über eine gleichberechtigte Stimme verfügt (,,one member, one vote").
Sobald der Vertrag von Nizza in Kraft tritt, wird die endgültige Entscheidung des EZB-Rats als Empfehlung der EZB formell verabschiedet und dem Rat der Europäischen Union vorgelegt. Von dieser Empfehlung ausgehend und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments wird der Rat der Europäischen Union in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs einstimmig über die vorgeschlagene Anpassung der Abstimmungsmodalitäten des EZB-Rats entscheiden. Die vereinbarte Änderung wird dann den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen. Die Änderung hat keinen Einfluss auf das Verfahren der gewogenen Abstimmung für Fragen, bei denen alle Zentralbankpräsidenten als Anteilseigner der EZB abstimmen.
HINWEIS AN DIE REDAKTION
Dieser Vorschlag sieht vor, dass die Anzahl der Zentralbankpräsidenten, die jeweils das Stimmrecht ausüben, zu keinem Zeitpunkt 15 übersteigt. Sobald die Anzahl der dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten 15 übersteigt, kommt ein System rotierender Stimmrechte zur Anwendung, das auf der Zuordnung der Zentralbankpräsidenten zu bestimmten Gruppen beruht. Jedes Mitglied des Direktoriums behält ein dauerhaftes Stimmrecht.
Das vereinbarte Rotationssystem basiert auf einer Reihe wesentlicher Grundsätze, die für die Beratungen des EZB-Rats bestimmend waren.
1. ,,One member, one vote" und ad personam-Teilnahme
Alle Zentralbankpräsidenten werden weiterhin an den Sitzungen ad personam und in voller Unabhängigkeit teilnehmen, und der Grundsatz, dass jedes Mitglied über eine gleichberechtigte Stimme verfügt (,,one member, one vote"), gilt auch in Zukunft für die Zentralbankpräsidenten, die jeweils ihr Stimmrecht ausüben.
2. ,,Repräsentativität"
Die Zentralbankpräsidenten, die jeweils das Stimmrecht ausüben, müssen stets von einer der NZBen der Mitgliedstaaten kommen, die in ihrer Gesamtheit die Volkswirtschaft des Euro-Währungsgebiets insgesamt repräsentieren. Folglich können die Zentralbankpräsidenten ihr Stimmrecht nicht mit gleicher Häufigkeit ausüben.
Die Zentralbankpräsidenten werden deshalb in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Einteilung der Zentralbankpräsidenten in diese Gruppen richtet sich nach der Position des jeweiligen Mitgliedstaats, die sich auf der Grundlage eines ,,Repräsentativitäts"-Gesamtindikators aus dem Anteil des Mitgliedstaats am Euro-Währungsgebiet ergibt. Die wichtigste Komponente dieses Gesamtindikators ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Mitgliedstaats. Um die besondere Bedeutung, die der Finanzsektor für die Beschlüsse der Zentralbanken hat, zu berücksichtigen, umfasst die zweite Komponente die gesamten Aktiva der aggregierten Bilanz der monetären Finanzinstitute (GAAB-MFI) auf dem Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaats. Die relativen Gewichtungen der beiden Komponenten sind 5/6 für das BIP und 1/6 für GAAB-MFI.
3. Robustheit und Automatismus
Das Rotationssystem wird so gestaltet, dass eine fortlaufende Anpassung der Größe der Gruppen und der Häufigkeit, mit der die NZB-Präsidenten abstimmen, stattfindet, entsprechend der zeitlichen Abfolge der Erweiterung des Euro-Währungsgebiets bis auf 27 Mitgliedstaaten (d. h. die derzeitigen EU- Mitgliedstaaten sowie die zwölf Beitrittskandidatenländer, die in dem Protokoll über die Erweiterung der Europäischen Union aufgeführt sind, das dem Vertrag von Nizza beigefügt ist).
Im Hinblick auf diese Anforderungen wird von dem Zeitpunkt an, an dem das Euro-Währungsgebiet mehr als 15 Mitgliedstaaten umfasst, ein Rotationssystem mit zwei Gruppen eingeführt. Von da an und so lange das Euro-Währungsgebiet bis zu 21 Mitgliedstaaten umfasst, verläuft die Rotation wie folgt:
- Die erste Gruppe besteht aus fünf Zentralbankpräsidenten, deren Mitgliedstaaten im Ländervergleich aufgrund des Gesamtindikators die ersten Plätze einnehmen. Diese Präsidenten haben gemeinsam vier Stimmen.
- Die zweite Gruppe umfasst alle anderen Zentralbankpräsidenten. Diese haben gemeinsam elf Stimmen.
Diese Aufteilung der Stimmrechte muss, je nach der Anzahl der dem Euro-Währungsgebiet beitretenden Mitgliedstaaten, anfänglich möglicherweise angepasst werden, um sicherzustellen, dass die Abstimmungshäufigkeit der ersten Gruppe nicht geringer ist als die der zweiten Gruppe.
Wenn das Euro-Währungsgebiet über 21 Mitgliedstaaten umfasst, kommt ein auf drei Gruppen beruhendes Rotationssystem wie folgt zur Anwendung:
- Wie zuvor besteht die erste Gruppe aus fünf Zentralbankpräsidenten, deren Mitgliedstaaten im Ländervergleich aufgrund des Gesamtindikators die ersten Plätze einnehmen. Sie haben gemeinsam vier Stimmen.
- Die zweite Gruppe umfasst die Hälfte aller Zentralbankpräsidenten, deren Anzahl gegebenenfalls auf die nächste ganze Zahl aufgerundet wird. Sie werden im Ländervergleich aus den nachfolgenden Positionen ausgewählt und haben gemeinsam acht Stimmen.
- Die dritte Gruppe besteht aus den übrigen Zentralbankpräsidenten. Sie haben gemeinsam drei Stimmen.
Es wird vorgeschlagen, dass die Entscheidung hinsichtlich der anfänglichen Anpassung über die Zuteilung der Stimmrechte in dem Zwei-Gruppen-System vom EZB-Rat mit einer Zweidrittelmehrheit all seiner Mitglieder verabschiedet werden soll. Dasselbe Verfahren sollte für die Festlegung der einzelnen Durchführungsbestimmungen für die Rotation der Stimmrechte innerhalb jeder Gruppe (wie z. B. den zeitlichen Abstand zwischen der Rotation der Stimmrechte) gelten.
Die Daten für die Berechnung der Anteile am BIP zu Marktpreisen werden von der Europäischen Kommission bereitgestellt. Es gelten die vom Rat der Europäischen Union auf der Grundlage des Artikels 29.2 der Satzung des ESZB verabschiedeten Regelungen für die Berechnung des Schlüssels für die Zeichnung des Kapitals der EZB. Die Daten für die Berechnung der Anteile an den GAAB-MFI werden aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates vom 23. November 1998 über die Erhebung statistischer Daten durch die EZB festgelegt. Die Daten werden alle fünf Jahre aktualisiert.
Mit dem für den 1. Februar 2003 vorgesehenen In-Kraft-Treten des Vertrags von Nizza wird die EZB eine Empfehlung beschließen und vorlegen, um der Anpassung ihrer Abstimmungsmodalitäten eine adäquate rechtliche Form zu geben. Anschließend obliegt es dem Rat der Europäischen Union in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs, auf der Grundlage dieser Empfehlung und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments einstimmig über eine Anpassung der Abstimmungsmodalitäten des EZB-Rats zu entscheiden. Die vereinbarte Änderung wird dann den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen.
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